Eine Überraschung: Bicki-Segler
Zugegeben: Ich durchstöbere das Internet gerne und tauche immer wieder in die Tiefen ein auf der Suche nach alten, faszinierenden Plänen für Modellflugzeuge. Während ich wieder einmal durch Listen von Entwürfen für antike Segelflugzeuge scrollte, stach mir der Name "Bicki" ins Auge. Nun, ich kenne ein Modell von Alfred Bickel, «Bicki». Dabei handelt es sich jedoch um ein motorisiertes Delta aus den 50er-Jahren, das lediglich mit einem Seitenruder gesteuert wurde. Dieses Modell ist in der Schweiz recht bekannt als das Bicki-Delta. Dass Alfred Bickel auch einen Segler gebaut und geflogen hat, war mir bisher unbekannt. Also schnell den Plan heruntergeladen. Dieser wurde 1956 im «Aeromodeller» veröffentlicht.Zu sehen ist ein Segler mit recht ungewöhnlichen Linien, die Spannweite beträgt etwa 215cm. Zusätzlich zum Plan gab es einen kurzen Bericht über den Einsatz dieses Modells bei einem Wettbewerb.Der Plan und das alte Foto im Bericht zeigen einen Segler mit Knickohren, ähnlich dem Amigo, und einem Höhenleitwerk mit Endscheiben. Das Seitenruder befindet sich unter dem Rumpf, was zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich war. Der Rumpf ist recht voluminös, was mir gut gefällt. Ein Teil des Rumpfdeckels konnte durch einen Motoraufsatz ausgetauscht werden. Das alles ist ziemlich interessant - ein etwas exotisches Modell aus der Schweiz, von dem kaum jemand noch etwas weiss. Aber mein Bautisch war schon voll, also wanderte der Plan zu den potenziellen Projekten. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich entschloss, den Bicki-Segler zu bauen. Dafür habe ich zuvor ein wenig recherchiert, schliesslich möchte ich wissen, was ich da baue.
Recherche
Im Netz fand ich keine weiteren Informationen zu diesem Modell. Ein Fliegerkollege schlug vor, das Dokumentationszentrum des Verkehrshauses in Luzern zu besuchen und dort in den alten Ausgaben der Zeitschrift Aero-Revue zu recherchieren. Gesagt, getan. Tatsächlich fand ich Informationen - nicht direkt zum Modell selbst, aber zu seinem Einsatz in verschiedenen Wettbewerben.
Das Bild zeigt den Bicki-Segler beim Vermessen anlässlich eines Wettbewerbes.
Es gab Ranglisten, einige Fotos und Namen. Offenbar wurde der Segler von A. Bickel konstruiert. Ob Arnold Degen, ein Vereinskamerad von Bickel, mit beteiligt war, konnte ich nicht herausfinden. Die Fernsteuerung stammte von E. Nievergelt, auch er Mitglied im gleichen Verein, der Modellfluggruppe Zürich. Nievergelt setzte in Wettbewerben ebenfalls eine Version vom Bicki-Segler ein und errang damit 1954 in Zürich den 1. Platz, noch vor Bickel.
Das Bild zeigt E. Nievergelt mit einer Version des Bicki-Seglers.
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In der kleinen Modellflug-Ausstellung im Verkehrshaus ist ein Röhren-Empfänger von E. Nievergelt ausgestellt, wie er in diesem Segler verwendet wurde. Jetzt ist mir auch klar, warum der Rumpf dieses Seglers so dick ist - irgendwo muss ja der Empfänger samt der Heizbatterie für die Röhren Platz haben.
Nach meinen, unvollständigen, Recherchen konnte A. Bickel mit seinem Segler folgende Platzierungen erringen:
- nationaler Wettbewerb in Zürich für radiogesteuerte Modelle, Juni 1954, 2. Platz Segler
- internationaler Wettbewerb in Essen für radiogesteuerte Modelle, Mai 1955, 1. Platz Segler
- nationaler Wettbewerb in Luzern für radiogesteuerte Modelle, Juli 1955, 1. Platz Segler
Neben dem Segler setzte A. Bickel sein berühmtes Delta bei Motorflug-Wettbewerben ein und erzielte auch dort grosse Erfolge, so zum z. B. 1955 in Luzern den 1. Rang bei Motorflugzeugen. Damit gewann er in Luzern in beiden Kategorien mit seinen Modellen. Das Delta wird nur über Seitenruder gesteuert, dieses ist als Kopfruder ausgelegt. Aber das Delta ist eine ganz andere Geschichte. Es gibt sogar Bilder vom Delta mit Schwimmern. Etwas mehr Information zum Delta findet man unter https://www.facebook.com/BickiDelta/.
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Erste Schritte
Ich liess mir den Plan des Seglers ausdrucken und nahm mir erst einmal Zeit, um die Konstruktion in Ruhe anzusehen und zu verstehen. Schnell stellte ich fest, dass kaum eine Linie gerade war und dass die Rippenabstände ungleichmässig waren. Der ganze Plan war krumm und verzogen. Versuche, den Plan per Photoshop zu entzerren, waren nicht zufriedenstellend. Was nun? Neu zeichnen in CAD? Ich hatte bisher keine grosse Ahnung von CAD-Programmen. Aber die kleinen grauen Zellen im Oberstübchen brauchten nach dem Ende meines Arbeitslebens sowieso neue Herausforderungen, also wagte ich mich an die Aufgabe. Auf Rat eines Modellflugkameraden besorgte ich mir das Programm QCAD für 2D. Und nun der Sprung ins kalte Wasser des neuen Tools: Ich lud den Plan als PDF ins Programm und begann, die ersten Teile nachzuzeichnen und zu korrigieren. Das ging einfacher als erwartet. Fleiss und Geduld waren dann doch Voraussetzungen, um voranzukommen. Dass der originale Plan mit englischen Masseinheiten gezeichnet war, machte die Sache auch nicht einfacher. So musste ich erst für jedes Bauteil festlegen, welche Abmessungen und Stärken ich verwenden wollte. Erst danach konnten die Ausnehmungen, Schlitze usw. mit den passenden Abmessungen gezeichnet werden. Nach vielen Fehlern, Neuanfängen, Neukonstruktionen, zensierten Schimpftiraden, usw. waren dann endlich, endlich die Zeichnungen fertig.
Heute würde ich direkt mit einem 3D-Zeichenprogramme anfangen. Der Mehraufwand fürs Erlernen würde durch Vermeidung von Fehlern aufgehoben. Z. B. habe ich bei der Flügelsteckung eine Teilekollision hineinkonstruiert und musste die komplett neu machen. Mit einem 3D-Programm gäbe es Kontrollmöglichkeiten, um das zu vermeiden.
Auslegung vom Modell
Mit dem Zeichnen begannen die Überlegungen zur Konstruktion vom Modell. Mein Ziel war nicht einfach nur eine exakte Nachbildung anzufertigen. Vielmehr sollte der Charakter des Flugzeugs erhalten bleiben, jedoch mit modernen Annehmlichkeiten und Lösungen angereichert werden.
Mein erster Gedanke galt der Fernsteuerung. Während das Originalflugzeug nur über ein kleines Seitenruder verfügte – das eher einer Trimmklappe glich als einem echten Ruder – entschied ich mich dafür, dieses Ruder an meinem Modell deutlich zu vergrössern. Hierbei konnte ich auf relevante Erfahrungen zurückgreifen, die ich bei anderen Modellen gesammelt hatte. Mein Ziel war es, das Modell sowohl mit gesteuertem Seiten- als auch Höhenruder auszurüsten. Auf Querruder kann bei dieser Art von Flugmodell verzichtet werden. Im Nachhinein betrachtet, hätten Bremsklappen sich als nützlich erwiesen.
Zusätzlich sollte das Modell motorisiert sein. Zwar sah die ursprüngliche Konstruktion einen aufsetzbaren Druckantrieb auf einem Pylonen über dem Rumpf vor, den ich aus Neugier umsetzen wollte, um bei Bedarf das authentische Erscheinungsbild des Modells zu zeigen. Für den tatsächlichen Einsatz entschied ich mich jedoch für einen Nasenantrieb.
Das Profil des Flügels wollte ich nicht nachzeichnen, da ich dachte, dass die Fehler zu gross wären. Meine Recherchen ergaben viele Profile, die ähnlich aussahen, aber nicht ganz übereinstimmten. Ein interessierter Modellbauer forschte ebenfalls nach dem Profil und seiner Meinung nach ähnelte es sehr dem NACA 6410, möglicherweise einem modifizierten NACA 6409. Der Rat eines sehr erfahrenen Modellbauers, einfach das Clark Y zu verwenden, hätte bestimmt auch gut funktioniert. Doch ich wollte ein Profil mit deutlich konkaver Unterseite, wie beim Original-Modell. Laut dem Buch von Dr. H. Eder, «Antik- und Classic-Flugmodelle» soll sich das Gö 500 ganz gut für solche Modelle eignen. So fiel meine Wahl auf dieses, die Koordinaten liessen sich leicht finden. Das Originalmodell besitzt an den Flächen eine Nasenbeplankung, was für das gewählte Profil passt. Die Flügelohren weisen eine aerodynamische Schränkung auf, ein Strak auf ein Endprofil mit gerader Unterseite. Das setzte ich auch um und wählte das Gö 795 als Endprofil. Auch hier wäre ein 3D-Zeichenprogramm hilfreich gewesen, wären über die Schnittfunktion die einzelnen Rippen leicht zu zeichnen gewesen. So musste ich jede Rippe einzeln ausrechnen.
Für die Steckung der Tragflächen sah ich einen 7mm-Kohlestab vor, der in einem Alurohr geführt wird, ergänzt durch einen Zentrierstift aus 2mm-Federstahl. Die Tragflächen sollen mit Magneten am Rumpf gehalten werden.
Das Höhenleitwerk bekam das bewährte NACA 0009, was dem Plan fast genau entspricht. Die Endleiste soll als Höhenruder ausgebildet werden.
Die EWD hat A. Bickel mit ca. 4° bis 4,5° festgelegt. Bei meinem Modell habe ich die EWD auf 2° reduziert. Beim Einfliegen wird sich zeigen, wie gut diese Wahl war.
Das Original war ein Balsa-Modell, ein frühes für schweizerische Verhältnisse. Bis kurz vorher wurden die Flieger hierzulande aus Kieferleisten, Sperrholz und Seide gebaut. Willy Streil, ein Pionier und lange der angesagte Anlaufpunkt in der Schweiz im Modellbauhandel, warb in den 50er-Jahren intensiv für Balsaholz als Baumaterial.
Beim Plan standen keine Infos zum Fluggewicht. Diese wären ohnehin schwer auf heutige Verhältnisse übertragbar. Mit den damaligen Empfängern und Batterien im Bauch wäre das Modell wohl auch als Lastensegler durchgegangen. Ich rechnete mit einer Abflugmasse von ca. 1,5kg. Den Motor wollte ich später auswählen, aber ich musste den Motordurchmesser schon festlegen, um die Masse für den Motorspant festzulegen. Es sollte ein Aussenläufer mit 28 mm Durchmesser werden, da es genug Auswahl in Leistung und Drehzahlbereich gibt.
Mein Plan war, die Teile fräsen oder mit dem Laser schneiden zu lassen. Glücklicherweise erklärte sich ein Vereinskamerad dann bereit, mir die Teile zu fräsen. Halleluja, Licht am Ende des Tunnels. An dieser Stelle: nochmals danke, Hans.
Bau
Ich werde nicht zu sehr ins Detail gehen, was den eigentlichen Bau des Modells betrifft. Es handelt sich um einen klassischen Kastenrumpf mit Rippenflächen. Dennoch möchte ich auf einige Punkte hinweisen.
Rumpf
Ich habe die gesamte Rumpfnase neu gezeichnet, um sie für die Motorisierung anzupassen. Dabei habe ich versucht, die Linien passend für einen 43mm-Scalespinner zu gestalten, ohne die ursprüngliche Form zu stark zu verändern. Die Nase wurde bedingt durch den Spinner etwas breiter als beim Original, ist nicht mehr so schlank.
Die Rumpfseitenwände sind mit 1,5mm überraschend dünn. Um ihre Stabilität zu erhöhen, sind die Kanten mit Balsaleisten verstärkt. Zum Teil sind die Biegeradien für die Leisten etwas eng. So habe ich die Leisten nach bekannter Art gewässert, in die Form gebogen und vor dem Verkleben trocknen lassen.
Für die Auflage vom Höhenleitwerk aus Sperrholz enttäuschte mich das Ergebnis mit Wässern und Einspannen, ich schaffte es nicht, die notwendige Biegung einzuarbeiten. Hier griff ich dann zu der Methode mit Hitze. Mit Hilfe eines alten Folienbügeleisens und einem Rundholz als Formgeber ging ich zu Werke. Als Temperatureinstellung hat sich bei mir ca. 150°C als gut erwiesen. Mit Druck und etwas Geduld wird das Sperrholz auf dem Formklotz mit dem Bügeleisen um die Rundung gepresst. Dabei ist nach einiger Zeit, ca. 15 – 30 Sekunden, deutlich spürbar, wie das Sperrholz nachgibt, weich und formbar wird.
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Tragfläche
Beim Zeichnen der Teile habe ich auch eine Helling aus Pappelsperrholz gezeichnet. Mit Ihrer Hilfe ging der Bau der Tragflächen zügig voran.
Passende Endleisten zum gewählten Profil konnte ich nicht finden. Also selber zuschleifen. Dazu wurde auf einer geraden, verzugsfreien Latte mit der nötigen Abmessung, ein Stahldraht mit der gewünschten Endleistendicke auf die Kante geklebt, bei mir 1mm. Dieser Draht dient auch als Anschlag für die Endleiste. Auf der Vorderseite der Endleiste spannte ich eine Hartholzleiste mit der erforderlichen Dicke. Und nun geduldig und vorsichtig schleifen, wobei das Balsaholz sich doch recht zügig auf die gewünschten Masse abtragen lässt. Man muss aufpassen, nicht zu stark zu drücken, da schnell Fehler passieren können und ein "Aufdicken" von zu viel abgeschliffenem Balsa unschön aussieht.
Die Endleiste vom Tragflächenohr ist aufgrund der Schränkung stark verdreht. Diese Leiste wurde vor dem Einbau ebenfalls durch Wässern und Einspannen einigermassen in die gewünschte Form gebracht.
Das Bild zeigt den Einbau des Steckungsrohres in die rechte Tragfläche.
Noch ein Wort zur Steckung: die besteht aus einem 7mm-Kohlestab in einem Alurohr 7x8mm. Das Alurohr dient lediglich als Führung des Kohlestabs. Alle Kräfte werden von diesem aufgenommen und über Formteile aus Sperrholz in die Rumpfstruktur und die Tragflächenholme geleitet. Die Flächen werden am Rumpf durch 8mm-Supermagnete gehalten.
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Höhenleitwerk
Das Höhenleitwerk ist ganz traditionell als Rippenfläche aufgebaut. Für die Befestigung am Rumpf habe ich M3-Kunststoffschrauben vorgesehen. Genauso werden auch die beiden Endscheiben am Höhenleitwerk befestigt. Dazu sind als Gegenstück kleine Einschraubmuttern verbaut.
Auf dem Bild wird die Nasenleiste des HLW in Form geschliffen.
Hier ein Bild vom Modell im Rohbau
Bespannung
Auf die Bespannung möchte ich etwas ausführlicher eingehen. Das Arbeiten mit lösemittelhaltigem Spannlack und der damit verbundene Gestank waren für mich keine Option, daher wollte ich eine neue Methode ausprobieren.
Nach Recherchen im Netz stiess ich auf eine vielversprechende Alternative: Kontaktflächen mit Heisssiegellack einstreichen, Gewebe auflegen und anbügeln, Klebestellen mit Lack fixieren, Gewebe spannen und dann alles mit wasserverdünnbarem Parkettlack streichen. Diese Methode wollte ich anwenden. Leider weiss ich nicht mehr, wo ich den Artikel gefunden habe oder wer der Autor ist.
Als Vorbereitung isolierte ich die grösseren Holzflächen, wie die Nasenbeplankung der Tragfläche, mit einem lösemittelhaltigen Schnellschliffgrund gegen den wässrigen Lack. Zwei Anstriche mit einem feinen Zwischenschliff sollten genügen, um zu verhindern, dass das Holz aufquillt oder sich verformt.
Also, tief durchatmen und loslegen: Ich strich alle Kontaktflächen am Gerippe der Tragfläche zweimal mit dem Heisssiegelkleber von Oracover ein. Dann legte ich das Gewebe auf und fixierte es punktuell mit dem Bügeleisen. Dazu reichen ca. 90°C als Einstellung. Das Schöne daran war, dass nicht perfekte Stellen wieder gelöst, in Ruhe gerichtet und neu fixieren werden konnten. Mit dem Koverall konnte ich so eine faltenfreie Bespannungen erzielen. Damit das Gewebe schön gespannt und später sauber mit dem Skalpell besäumt werden kann, sollte es grosszügig zugeschnitten werden. Dann bügelte ich das Gewebe auf allen Kontaktflächen mit dem Bügeleisen am Gerippe fest. Vor dem Spannen mussten alle Klebeflächen mit dem Parkettlack fixiert werden. Dazu verwendete ich feine Pinsel, um wirklich nur die Klebestellen zu lackieren. Zu grosszügiges Vorgehen würde zu Stellen im Gewebe führen, die wie Wasserflecken aussehen und nicht mehr zu korrigieren sind. Die Überstände vom Gewebe wurden bei dieser Arbeit gleich noch mit dem Parkettlack eingelassen, um das Besäumen einfacher zu gestalten und ein Ausfransen des Gewebes zu verhindern.
Ist alles trocken, kann mit Wärme gespannt werden. Dafür habe ich ein Folienbügeleisen verwendet. Aus Neugier habe ich einmal versucht, das Gewebe ohne vorherige Fixierung der Klebestellen mit Parkettlack zu spannen. Das Ergebnis war, dass viele Klebestellen sich lösten und ich das Gewebe wieder abziehen und alles neu machen musste. Die mechanische Festigkeit des Heisssiegelklebers reichte offenbar nicht aus, um die Spannung des Gewebes aufzunehmen. Erst das Streichen der Klebungen mit dem Parkettlack verband es ausreichend mit dem Untergrund. Am Flügel hat sich mit dieser Methode beim Spannen keine Stelle gelöst, auch nicht an der stark konkaven Unterseite.
Zum Schluss strich ich die gesamte Bespannung zweimal mit Parkettlack. Dabei arbeitete ich mit einem eher «trockenen» Pinsel (nur wenig Lack auf dem Pinsel, er soll auf keinen Fall tropfen). Zu viel Lack auf einmal aufgetragen würde dazu führen, dass auf der Rückseite der Bespannung Tropfen entstehen, die sichtbar bleiben. Beim Streichen auch nicht mit dem Pinsel unter Druck über Kanten fahren. Dabei wird Lack abgestreift, der dann auf der Rückseite vom Gewebe entlangläuft. Ich trug nur so viel Lack auf das Gewebe, wie es für die Benetzung brauchte. Der Parkettlack ist dafür ausgelegt, auf ebenen Flächen schön zu verlaufen und eine glatte Oberfläche zu bilden. An schrägen oder senkrechten Flächen läuft er ab und bildet Tropfen, Läufer und kleine Lachen. Das ist ein weiterer Grund, nicht zu viel Lack auf einmal aufzutragen. Die gestrichene Fläche kann während der ersten 5 bis 10 Minuten im Gegenlicht beobachtet und korrigiert werden. Läufer können verstrichen, kleine Seen mit einem abgestreiften Pinsel aufgenommen werden.
Aber egal, wie viel ich hier schreibe, man wird nicht um Versuche herumkommen. Erst dadurch entwickelt man ein Gefühl und findet den richtigen Dreh.
Wie sich dieser Aufbau mit den Jahren verfärben oder spröde werden wird, muss sich noch zeigen.
Antrieb
Für den Antrieb habe ich mich für einen Extron 2220/16 Motor in Kombination mit einem LiPo 3S Akku mit 1800 mAh entschieden. Die Kraft wird über eine Klappluftschraube mit 10x5 Zoll übertragen. Mit dieser Konfiguration ist das Modell ausreichend motorisiert.
Steuerungseinbau
Da gibt es nicht viel zu berichten, denn es müssen nur zwei Servos eingebaut werden. In meiner Grabbelkiste fand ich passende alte, rote MPX-Servos, die nun wieder Arbeit haben. Für das Seitenruder entschied ich mich für eine pull-pull-Anlenkung. Statt Litzen verwende ich 0,3mm-Stahldrähte, die schön steif im Rumpf liegen, ohne sich zu verheddern. Um die Drähte durch die Rumpfwand zu führen, setze ich kleine Stücke dünner Alu-Röhrchen ein. Dank grosser Biegeradien und der gestreckten Linienführung laufen die Drähte fast ohne Widerstand in den Röhrchen. Der Standard-Bowdenzug, den ich für das Höhenruder einsetzte, läuft jedenfalls bedeutend hakeliger.
Einfliegen
Vor dem Einfliegen überprüfe ich noch einmal alle Einstellungen. Die Ruder laufen frei, ohne auf Anschlag zu gehen. Die Abflugmasse beträgt ca. 1350g, die EWD liegt bei ca. 2°. Der Schwerpunkt befindet sich bei 94mm hinter der Vorderkante der Tragfläche. Alles scheint soweit gut zu passen, der Segler ist bereit. Doch beim Betrachten des fertigen Modells und der alten Fotos fällt mir jetzt erst auf, dass beträchtliche Unterschiede bestehen. Nach Plan gebaut entsteht ein Mitteldecker, während die Modelle auf den Fotos eher Schulterdecker sind. Seltsam, jetzt kann ich eh nichts mehr ändern, die Unterschiede erstaunen mich jedoch.
Und dann ist der grosse Moment gekommen. Ein bisschen Erstflugfieber beginnt sich aufzubauen. Aber was soll's, das Modell muss in die Luft. Dani, ein Fliegerkamerad, schiebt das Modell über die Hangkante in den leichten Südwind. Und der Bicki-Segler fliegt, völlig ruhig und ohne Aufregung. Schon mit dem ersten Aufwind steigt er weg wie in einem Fahrstuhl, und das ganz ohne Motoreinsatz. Das Steuergefühl ist wunderbar geschmeidig und doch wirksam genug. Ein grosses Aufatmen, und nun kann ich einfach nur noch den Flug geniessen. Der Motor muss noch ausprobiert werden. Halbgas reicht völlig für ein gemütliches Steigen. Es hätte etwas mehr Motorsturz sein dürfen. Das werde ich dann noch mit einem Mischer in der Steuerung korrigieren. Nun der Abfangtest: kurz anstechen und loslassen. Das Modell fängt sich gut, nicht zu stark. Für meinen Geschmack ist der Segler noch etwas zu schnell unterwegs. Es stehen Einstellflüge an, möglicherweise noch kleine Anpassungen des Schwerpunkts, etc. Das Profil und die EWD scheinen gut zu passen. Und weil es so schön fliegt und mich der Hafer sticht, versuche ich einen Looping. Anstechen, ziehen, und der Segler kommt herum. Nicht wirklich elegant, dafür reicht der Durchzug einfach nicht, aber er kommt herum, ohne dass es nach einem Überschlag aussieht. Alles hat gehalten, nichts ist gebrochen, was will man mehr.
Nach einer halben Stunde Erstflug bereite ich mich auf die Landung vor. Beim Fliegen habe ich mir schon Gedanken gemacht, wie das zu bewerkstelligen ist, denn der Segler will nicht runter. Bremsklappen/Spoiler wären jetzt echt hilfreich. Nach drei, vier Versuchen landet das Modell dann endlich wieder auf dem Boden, nicht gerade bei Fuss, aber heil. Und ich freue mich über ein gut fliegendes, nicht alltägliches Modell.
Robert Berg, Frühjahr 2024
Nachtrag März 2025
Bei der Sichtung des Nachlasses von Hansruedi Zeller fand ich originale Pläne vom Bicki-Segler. Leider fehlen Angaben zum Erscheinungsjahr und Konstrukteur. Dafür wird das Flügelprofil angegeben, inkl. Koordinaten. Es handelt sich um das Gö 301. Interessant sind auch die Massangaben zu den Teilen aus Balsa. Es sind alles "krumme" Werte. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich dabei um Werte handelt, die von Zoll in mm umgerechnet wurden. Das Bauen mit Balsa kam in der Schweiz ja erst in den frühen 50-iger-Jahren in Mode, kräftig beworben von Willy Streil. Da gab es als Bezugsquelle für Balsa wohl erst Lieferanten in Übersee. Apropos Streil: im Streil-Katalog von 1956 wurde der Plan vom Bicki-Segler für CHF 10.50 angeboten.
Das Design dieses Modells war offenbar so erfolgreich, dass es kopiert wurde. In der britischen Zeitschrift "Radio Control Models", RCM, wurde der Plan eines Modells namens "Kahuna" veröffentlicht. Der Rumpf und die allgemeine Auslegung entspricht dem des Bicki-Seglers. Die Tragflächen sind im Grundriss und im Profil geändert.
Der Plan vom Bicki-Segler kann im IGA-Archiv unter der Nummer 1701 bezogen werden.
Quellen: Eigene, Bauplan, outerzone.co.uk
Letztmals redigiert: 03.05.2025