Zürihegel (Freiflug-Wurfgleiter von A. Degen) von Arnold Wirz
Vorgeschichte
Von diesem Freiflug-Wurfgleiter besass ich eine Zeit lang nichts weiter als ein Foto, welches Willy Streil vor vielen Jahren einmal an Hermann Mettler weiter gegeben hat. Das Foto zeigt Christel Streil etwa im Jahr 1955 mit einem Freiflug-Wurfgleiter mit Doppelleitwerk und der Immatrikulation ZH 60. Er weist gegenüber dem Original zahlreiche Änderungen auf. So hates im hinteren Bereich einen Stabrumpf, die Anzahl Ripen stimmen nicht mit dem Zürihegel überein, der Vorderrumpf ist breiter. ZH 60 ist die Immatrikulation eines Modellbauers der MG Zürich. Seine Bezeichnung wäre somit eruierbar. © Christel und Willy Streil
Die technischen Daten des Modells sind noch nicht ermittelt und das Datum des Fotos ist geschätzt. Im Prinzip wäre es möglich, sich bei der MG Zürich nach dem damaligen Inhaber der Nr. 60 zu erkundigen.
Durch fleissiges Suchen im Internet stiess ich auch auf die Fotogalerie der IG Albatros und sah dort zufällig ein sehr ähnliches Modell von Bruno Ferrari, zusammen mit drei weiteren antiken Modellen, aufgenommen von Alfred Genther in schwarz-weiss auf dem Arosemer Tschuggen.
Hier im Bild sieht man den Freiflug-Wurfgleiter "Zürihegel", in der originalen Ausführung von Bruno Ferrari. Die Konstruktion stammte von Arnold Degen. Das Bild habe ich aus einer Foto von A. Genther heraus kopiert und retouchiert. © Alfred Genther/Fotomontage A. Wirz
Im Bericht wird die Jahreszahl 1960 genannt, doch ist nicht sicher, ob dies alle gezeigten Fotos betrifft. Ich habe nun von der Genther'schen Foto des "Zürihegels" eine Ausschnittvergrösserung gemacht und die anderen Flugmodelle, welche ins Bild ragten, weg retouchiert, siehe Foto Nr. 4 nebenan.
Im Planarchiv der IG Albatross (IGA) fanden sich dann weitere Infos zum "Zürihegel", wie die genaue Spannweite von 85 cm und der Name des Konstrukteurs Arnold Degen. Der Vergleich mit der Foto von Willy Streil zeigt nun nach Vorliegen von Originalfotos vom Zürihegel des MG Zürich-Ehrenmitglieds Max Pfenninger, dass der Streil'sche Zürihegel kein Original ist, sondern ein dem Zürihegel nachempfundener Eigenbau eines anderen Mitglieds des gleichen Vereins. Mit der Immatrikulation, welche durch den AeCS allen Vereinen empfohlen wurde, welche ihre Mitglieder an Wettbewerbe schicken, lässt sich nun in alten Teilnehmerliste des SMV oder bei den älteren Mitgliedern der MG Zürich erfragen, wer der Erbauer war. Dann könnte man noch mehr über diesen Wurfgleiter berichten. Der Zürihegel von Arnold Degen stammt etwa aus der Zeit kurz nach dem 2. Weltkrieg. Ein ganz exaktes Datum konnte ich nicht ermitteln, da die Original-Baupäne ohne Datum gedruckt wurden.
Auf der Website der IGA sieht man auch ein neu erbautes Gummimotormodell, Slider 25, welches einem historischen Modell nachgebaut oder nachempfunden wurde. Es besitzt im Leitwerkbereich Anleihen vom Zürihegel.
Schulbaukasten
Der Zürihegel wurde von Arnold Degen etwa im Jahre 1945 entworfen und als Bauplan vom Zürcher Verein für Handarbeit und Schulreform vertrieben. Arnold Degen war Mitglied bei der Modellfluggruppe Zürich und seit etwa 1936 Bauleiter. Der Zürihegel war ein Freiflug-Wurfgleiter, doch konnte er auch als Hangsegler eingesetzt werden. Wer wollte, konnte ihn zusätzlich mit einer Glimmschnur-Thermikbremse ausstatten, sodass er weniger entflog. Im Bild der Original-Bauplan für den Zürihegel von Arnold Degen, herausgegeben vom Zürcher Verein für Handarbeit und Schulreform. Leider enthielt er kein Datum. © Walter Wuhrmann. Er wurde damals sehr häufig in den Ferienkursen der Schüler der Stadt Zürich gebaut und zwar noch bis weit in die 1950er Jahre hinein. Dadurch erlangte das Modell eine gewisse Bekanntheit. Ab 1956 wurde er an diesen Kursen durch den moderneren und einfacheren Cesi von Fritz Sidler ersetzt.
Baubeschrieb
Bau in Sperr- und Kieferholz und mit Japanseide bespannt. Flügel bestehend aus 26 Rippen. Rumpfausleger als Holzstab. Doppeltes Seitenleitwerk, 12 Flügelrippen oder mehr. Recht massiver Vorderrumpf. Fügel mit V-Stellung von ca. 18°. Obwohl Willy Streil von Anfang an sein damals noch sehr teures Balsaholz verkaufte, dürfte dieser erste Segler rein von der Bauweise her noch ein Hartholzmodell gewesen sein, zumal er ja aus der Hand von Arnold Degen stammte, der sich in den 1930er bis 1950er Jahren einen Namen als guter Konstrukteur machte. Mehr zu Arnold Degen siehe unter Akteure, Konstrukteure! Der "Zürihegel" war von der Bauweise und der Grösse her etwa mit dem ersten kleinen Uhu zu vergleichen.
Weitere Beobachtungen
Bruno Ferraris "Zürihegel" trug auf den beiden Seitenleitwerke das Zürcher Wappen und am Vorderrumpf prangte leicht schräg der Modellname, eine Eigenart, die man bei den antiken Modellen oft antraf.
Das Modell, welches Christel Streil um 1955 in den Händen hielt, trug die 'Immatrikulation' ZH-60. Da Arnold Degens Modelle in der Modellfluggruppe Zürich recht fleissig nachgebaut wurden, ist zu vermuten, dass der "Zürihegel" auch dazu gehörte. Es dürfte somit noch mehr als die zwei erwähnten echten Zürihegel geben, doch öffentlich sind diese Raritäten nicht und auch bloss vermutet. Man kann sogar vermuten, dass einige wenige noch ohne Wissen irgendwo in einem Estrich schlummern.
An einer Gummimotor-Flugveranstaltung sah ich ein Modell in oranger Farbe, welches ein fast gleiches Leitwerk besass wie der Zürihegel. Wenn ich mich richtig erinnere, war das in Frauenfeld.
Bekannte Schicksale von Zürihegel-Modellen
Es gibt heute somit noch mindestens zwei flugfähige originale "Zürihegel" und zwar jene von Bruno Ferrari und Max Pfenninger. In einer MFS-Ausgabe von 2015 ist Bruno Ferrari zusammen mit seinem Modell abgebildet. Leider war das Foto so winzig, dass eine Reproduktion nicht möglich war. Immerhin birgt sich in der Tatsache, dass man von diesem Modell noch einen Bauplan und Baubeschrieb bei der IG Albatros erwerben kann, die Hofffnung, dass er ab und zu noch nachgebaut wird. Im Planarchiv findet man ihn unter S112.
Ein weiterer Zürihegel entstand als RC-Gross-ModellHans Jörg Zöbeli baute anlässlich eines Baukurses im Schulhaus Limmat A in Zürich mit seinem Lehrer zusammen mit einigen Kameraden während den Herbstferien um 1953 herum als 12-Jähriger sein erstes Flugmodell. Es war ein Zürihegel. Ein Bild des grosse Zürihegel x2 von Hans Jörg Zöbeli. © Hans Jörg Zöbeli. Herausgeber des Bauplans war der Zürcher Verein für Handarbeit und Schulreform. Es war exakt das oben beschriebene Modell des aus Basel stämmigen, aber in Zürich wohnhaft gewesenen Arnold Degens. Auch Hans Jörg Zöbeli schätzt, dass die Konstruktion aus der Zeit um 1945 stammt. Da er diesen Kurs nicht alleine besuchte und noch andere Lehrer ebenfalls solche Baukurse anboten, kann angenommen werden, dass der Zürihegel damals recht fleissig gebaut wurde.
Wie so oft ging auch dieses Modell irgendwann den Weg alles Irdischen, vermutlich bei einem Wohnungsumzug. Umso erfreulicher ist es, dass Hans Jörg Zöbeli 2012 auf die Idee kam, sein schon früh verloren gegangenes Erstlingsmodell nochmals neu zu bauen. So begann er mit der Suche nach einem Bauplan. Zu allem Übel kannte er den korrekten Namen des Modells nicht mehr und suchte unter Hegi oder so Ähnlich. Glücklicherweise besprach er sich mit seinem Fliegerkameraden Walter Wolf. Dort fiel dann ganz zufällig der Satz: "Weisch no, de Zürihegel!" und schon machte es bei ihm 'klick'! Das war der gesuchte Name und Walter Wolf besass zur grossen Freunde auch noch Pläne vom Modell. Anfang 2015 begann er mit dem Bau, doch als RC-Modell wollte er ein etwas grösseres Flugzeug und so baute er es in zweifacher Grösse mit 4 Servos für das Höhen-, Seiten und für die Querruder sowie die Schleppkupplung. Das 3. Bild nebenan zeigt den Rohbau zwei Monate später! Mehr darüber liest man hier und schon sieht man wunderbare Bilder des filigranen Modells!
Ein antiker Zürihegel ist aufgetaucht
Durch einen glücklichen Umstand konnte ich kürzlich einen original erhaltenen und sauber restaurierten Zürihegel als Schenkung übernehmen, wohl deshalb weil ich bereits eine ansehnliche Anzahl alter Segelflugmodelle habe und es mein ganz persönliches Anliegen ist, sie alle möglichst lange selber zu bewahren und wenn es an der Zeit ist, sie auch rechzeitig an einen jüngeren Sammler weiter zu geben.
Hier sieht man den durch Walti Wuhrmann restaurierten Zürihegel von Max Pfenninger, langjähriges Ehrenmitglied der MG Zürich. Das Konstruktionsjahr war vermutlich 1945, das Baujahr 1951. © Walter Wuhrmann
Dieser Zürihegel stammt etwa aus dem Jahre 1943/45. Sein Leitwerk ist so konstruiert, dass man mit wenig Aufwand eine Thermikbremse mit Glimmschnur nachrüsten kann. Das werde ich noch vornehmen. Er stammt aus dem Fundus des bekannten MG-Zürich-Ehrenmitglieds Max Pfenninger, der am 10. Januar 2016 verstorben ist. Seine zahlreichen Modelle wurden glücklicherweise nicht entsorgt, sondern durch seine Modellflugkollegen so lange aufgeteilt, bis jedes Modell bei seinen optimalen neuen Besitzer landete. Bei mir landeten der bereits erwähnte Zürihegel sowie das Radio-Schüler-Modell von 1936. Damit erhöhte sich die Anzahl Flugmodelle meiner Antiksammlung auf 73 Stück.
Ein weiterer Zürihegel entsteht als RC-Elektro-Segler
Dieses Modell wird in einem eigenen Beitrag beschrieben, siehe dazu unter RC-Elektro-Segler Zürihegel (Beitrag folgt). Der Zürihegel stand schon eine ganze Weile auf meiner Wunschliste, doch änderte diese Schenkung nichts an meinem Plan, auch noch einen eigenen Zürihegel zu bauen. Dieser ist inzwischen im Rohbau vollendet. Mein Modellflugkamerad Peter beachsichtigte ursprünglich ebenfalls, einen Zürihegel zu bauen, doch hat er diesen Plan wieder fallen gelassen.
Technische Daten des Originals von 1945
Spannweite: 85 cm
Anzahl Rippen: 18
Rumpflänge: 68.5 cm
Höhe: 6.3 cm
Flügeltiefe : 12 cm
Flügelstreckung: 7.08
Bespannung: Japanseide + Spannlack oder Bespannpapier
Bauweise: 1 mm-Sperrholz/Buchenleisten
Fluggewicht: 192 g
Bleiballast: 45 g
Tragflächeninhalt: 10.2 dm²
Höhenleitwerkflächeninhalt: 2,16dm²
Flächenbelastung: 15,37 g/dm²
Fluggeschwindigkeit: um 13 km/h im Gleitflug
V-Stellung der Tragflächen: 10° je Flügel
Dieser Beitrag wurde durch Arnold Wirz letztmals am 13.6.2017 nachgeführt.
Quellen:
- Christel & Willy Streil
- Arnold Wirz
- Hermann Mettler (Foto erhalten von W. Streil)
- IG Albatros (Fotos)
- Hans Jörg Zöbeli (Nachbau als RC-Modell im Massstab 2:1)
Letztmals redigiert: 27.6.2024
Fotostrecke
Der Zürihegel von Max Pfenninger aus einer anderen Optik. © Walter Wuhrmann
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Der Zürihegel von Max Pfenninger von ca. 1950. Dank glücklicher Umstände konnte ich ihn als Schenkung übernehmen und in meinen Bestand historischer Segelflugzeuge überführen. Er wurde vor einiger Zeit restauriert und mit Japanseide bezogen. © Arnold Wirz
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die neueste Schenkung war ganz kurzzeitig mein ältestes Flugmodell. Die Jahreszahl 1950 ist geschätzt und könnte auch 1945 lauten. © Arnold Wirz
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Max Pfenninger im Jahre 1966 in Zürich-Seebach anlässlich der Hochzeit von Gody Wettstein. Er war der Erbauer meines Freiflug-Wurfgleiters Zürihegel © Gody Wettstein
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Neubau meines RC-Elektro-Seglers Zürihegel. Die gewellte Endleiste dient lediglich der Gewichtseinsparung, da ich für den Bau des Modells auf meinen Balsaholzvorrat zurückgriff und keine schmalere Endleiste fand. © Arnold Wirz
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Das Bild zeigt den gegenüber dem Original in doppelter Grösse erstellten RC-Zürihegel im Rohbauzustand Ende Februar 2015. Erbaut von Hans Jörg Zöbeli. Er wird mit seiner Grösse sicher ein imposantes Flugbild abgeben. © Hans Jörg Zöbeli
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hans Jörg Zöbelis Zürihegel x2, soeben fertiggestellt. © Hans Jörg Zöbeli
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Am Frühjahrs-Treffen der IG Albatros am 22.03. 2015 durfte Hans Jörg Zöbeli sein Modell den Vereinsmitgliedern präsentieren. © Hans Jörg Zöbeli
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Hier sieht man eine Variante des DDR-A1-Seglers 'Freundschaft' von Joachim Löffler, welches dem Zürihegel ein wenig gleicht. Die meisten Freundschaften hatten aber kein solches Leitwerk. © Arnold Wirz
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Das Bild zeigt den Wurfgleiter Stieglitz aus der DDR, geflogen 1957. Auch dieses Modell weist beim Leitwerk Gemeinsamkeiten mit dem Zürihegel auf. Das Bild stammt aus "Jugend & Technik" Heft 5/1957. © Reproduktion Arnold Wirz
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Freiflug-Gummimotorsegler Slider 25 (Foto ca. 2015). Dieses Flugmodell hat ebenfalls ein Leitwerk, das demjenigen des Zürihegels gleicht. © IG Albatros
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Dieses stark dem Dixielander nachempfundene Modell stammt aus Zürich und wird heute von Dominique Vultier als historisches Modell gepflegt. Der Erbauer hat sich beim Leitwerk auch vom Zürihegel inspirieren lassen. © Dominique Vultier